Review: Runder Tisch - Verkehr in der HafenCity
Am 14. November fand der lang erwartete Runde Tisch zum Verkehr in der HafenCity, organisiert vom Bezirksamt Mitte, statt. Gekommen waren gut fünfzig Anwohner*innen, die sich mit Vertreter*innen des Bezirks, der Verkehrsbehörde, der HafenCity Hamburg GmbH und der Polizei austauschen konnten. Entgegen der Erwartungen vieler Anwohner*innen verblieb es allerdings bei diesem Austausch, Probleme wurden angesprochen aber keine Lösungen vereinbart oder Lösungswege aufgezeigt.
Gordon Nelkner, im Bezirksamt zuständig für Wirtschaft, Bauen und Umwelt, ündigte in seinen Abschlussbemerkungen an, dass die Gespräche des Runden Tischs jetzt in die Politik, sprich die Bezirksversammlung, einfließen werden und dann dort beschlossen wird, wie es weitergeht. Die direkte Bürger*innenbeteiligung ist damit erst einmal abgeschlossen. Er wies allerdings darauf hin, dass die Sitzungen der Bezirksversammlung öffentlich sind und appellierte an die Anwesenden: „Mischen Sie sich ein, sprechen Sie mit Ihren Abgeordneten“.
Vorher hatten Vertreter*innen von ARGUS (Verkehrsplanungsbüro) und der Verkehrsbehörde mit Vorträgen zum Verkehrskonzept der HafenCity, zu Tempo 30, und zu Rad- und Fusswegen in die Thematiken des Abends eingeführt. Interessant für die Zuhörer war die Erinnerung, dass die HafenCity ursprünglich weit weniger verdichtet geplant war. Wurde im Jahr 2000 für 1,5 Millionen Quadratmeter Bruttogeschossfläche, 12.000 Bewohner*innen und 20.000 Arbeitsplätze geplant, waren es im Jahr 2018 2,5 Millionen Quadratmeter Bruttogeschossfläche, 15.000 Einwohner*innen und 45.000 Arbeitsplätze – eine beträchtliche Steigerung und das bei gleichbleibendem Verkehrskonzept!
An den vier „Thementischen“ konnten dann die Anwohner*innen den „Fachexperten“ ihre Anliegen, Bedenken und Vorschläge vortragen. Am Thementisch „Verkehrskonzept“, zum Beispiel, wurde die Verkehrsführung für das neue Überseequartier kritisiert, vor allem dass sowohl die Zulieferung als auch die Abfahrten durch Straßen mit dichter Wohnbebauung durchgeführt werden sollen – im Falle der Zufahrt durch die Shanghaiallee, im Falle der Abfahrten durch die Straße Am Sandtorpark, beides Straßen an denen die Anwohner*innen heute schon mit einer beträchtlichen Verkehrs-, Lärm- und Schadstoffbelastung zu kämpfen haben.
Ein weiteres wichtiges Thema an diesem Tisch war die Erhaltung der Zweistreifigkeit der Versmannstraße. Es wurde von den Anwohner*innen argumentiert, dass mit dem Wegfall der sog. Großmarktbruecke (2013 vom Senat „zurückgestellt“) andere verkehrsberuhigende Massnahmen ergriffen werden müssen, um mit dem gestiegenen Durchgangsverkehr fertig zu werden. Und eine dieser Maßnahmen ist die Reduzierung der ursprünglich auf vier Spuren angelegten Versmannstraße auf zwei Spuren, wie momentan der Fall. Das könne aber auch nur der Anfang sein – Ziel sollte die Reduzierung aller mehrspurigen Straßen in der HafenCity sein. Von den anwesenden Behördenvertretern wurden die Anwohner*innen auf zukünftige Verkehrszählungen und Evaluierungen in den Monaten nach der Eröffnung des neuen Überseequartiers vertröstet. Dann könne man weitersehen.
Am Thementisch „Tempo 30“ wurde deutlich darauf hingewiesen, dass in der HafenCity jetzt schon die Lärmgrenzwerte an mindestens sechs Straßen (darunter auch die bereits erwähnten Versmannstraße und Shanghaiallee) überschritten wird und die Luftqualität stark zu wünschen übrig lässt. Ein Weg hier Abhilfe zu schaffen ist die Einführung von Tempo 30. Diese würde zusätzlich die Sicherheit im Straßenverkehr verbessern, was angesichts der schweren Unfälle der letzten zwei Jahre auch dringend notwendig ist. Hier zeigten sich die anwesenden Behördenvertreter*innen nicht grundsätzlich abgeneigt, eine Tempo 30 Zone in der Straße Am Kaiserkai, oder anderen Straßen im sog. „untergeordneten Straßennetz“, sei durchaus vorstellbar. Allerdings müssten auch die Kosten für den nötigen Umbau – um die Autofahrer*innen zum Langsamfahren zu motivieren – berücksichtigt werden. Auf der anderen Seite sahen sie keine Möglichkeit für Geschwindigkeitsbeschränkungen im „übergeordneten Straßennetz“, also gerade den am meisten belasteten Straßen, Versmannstraße, Überseeallee, Shanghaiallee, und Brooktor- und Sandtorkai. Auch der Vorschlag in der ganzen HafenCity Tempo 30 als Verkehrsversuch einzuführen wurde mit Verweis auf die Hauptverkehrsstraßen negativ beschieden.
An den Thementischen „Schulwege“ und „Radwege“ ging es vor allem um konkrete Gefahrenpunkte, die in der „Liste der neuralgischen Punkte“ des Netzwerks HafenCity aufgeführt und den Entscheidungsträger*innen bekannt sind. Vor allem bei der Sicherheit der Schulwegen, für die sich auch der Schulelternbeirat seit langer Zeit einsetzt, scheinen Fortschritte möglich zu sein.
Vertreter der AG Verkehr des Netzwerks HafenCity zeigten sich enttäuscht, dass es bei dem Runden Tisch bei einem einmaligen Meinungsaustausch geblieben ist. Das Netzwerk hatte über einen Antrag in der Bezirksversammlung die Einrichtung des Runden Tisches überhaupt erst angestoßen. Die Absicht war allerdings, dass der Runde Tisch der Anfang eines Beteiligungsprozesses werden würden, der dann auch zu konkreten Lösungen hätte führen können. Das war augenscheinlich nicht möglich. Es war ermutigend zu sehen, wieviele Vertreter*innen insbesondere der Verkehrsbehörde anwesend waren; hier könnten sich Kanäle für ein weiteres Bemühen um bürgerfreundliche Lösungen der Verkehrsprobleme ergeben. Die Politik war auf der anderen Seite eher spärlich vertreten: Immerhin wurden aus der Bezirksversammlung Fatih Can Karizmaz (SPD), Theresa Rothberg (Gruene) und Steffen Leipnitz (Linke) gesehen, und aus der Buergerschaft Farid Müller (Grüne). Allen war aber klar, insbesondere nach der abschließenden Bewertung des veranstaltenden Bezirksamts, dass der Ball jetzt bei der Politik liegt.
Eine erste Gelegenheit direkt mit politisch Verantwortlichen zu sprechen bietet sich schon im Januar. Das Netzwerk plant für den 23. Januar 2025 in der Kantine der Campus Schule eine Dialogveranstaltung mit den Kandidat*innen für die Bürger*innenschaftswahlen. Dabei werden sicher auch die Verkehrsthemen eine wichtige Rolle spielen.